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1975:
Revolution - We all wanna change the world

Höhepunkt der kommunistischen Bewegung in Bremen, wenn auch nur ein kleiner. Mit dabei: 15 Jugendliche. Sie kämpfen um selbstverwaltete Jugendzentren in der Neustadt, betreiben Straßenagitation vor Aldi in Walle, versuchen sich bei der Unterwanderung der Bundeswehr, praktizieren Schulkampf um Einheitsnoten, laufen mit roten Fahnen unter Mao-Porträts auf unzähligen Demonstrationen,.....und Werder verhindert mit einem Punkt vor Stuttgart den Abstieg aus der Bundesliga. Fußball ist proletarisch und kämpferisch, sagen sich die Heranwachsenden, und folgerichtig hält das rote Banner des Sozialismus Einzug auch auf dem grünen Rasen. Die Oberschüler kicken zunächst im beamteten Findorff, die Arbeiterjugendlichen in der Neustadt. Doch warum getrennt marschieren, wenn man gemeinsam stärker ist? Der Roter Stern Walle/Neustadt wird gegründet. Der Kuhhirten ist der auserkorene Platz. Wo auch sonst? Schließlich stand hier 1899 die Wiege des SV Werder. Ein Jahr fleißiges Training unter einem angehenden Jugendnationalspieler als Spielertrainer folgt. Eine sich abzeichnen­de Karriere im DFB schien allemal unattraktiver zu sein als diesen linken Haufen zu Meisterehren zu führen. Fortan wird sich regelmäßig getroffen und trainiert. Körperliche Ertüchtigung als proletarische Waffe im Klassenkampf. Nebenbei macht das Kicken auch noch Spaß. Sogar Sympathisanten der Kaderschmiede dürfen mitmachen.
 

 1976:
Solidarität mit Zimbabwe - Der erste Pokal
Höhepunkt linker Politik in Bremen. Der frühere Bremer Umweltsenator Fücks steht wegen opportunistischem Verhaltens kurz vor dem Rauswurf aus der zerfallenden Kaderorganisation. Spontis und Öko-Freaks an der Uni erobern die politischen Mehrheiten. Und Werder? Klassenerhalt im letzten Spiel! Auch beim Roten Stern stehen die Zeichen der Zeit nicht still. Im Sommer 76 schaut die interessierte Fußballwelt auf die Plätze am Kuhhirten. Solidaritätsturnier für das Volk von Zimbabwe gegen das Apartheidregime im damaligen Rhodesien. 2 komplette Teams stellt der Rote Stern, davon eines gemischtgeschlechtlich. Damals waren die Spielerfrauen noch selbst aktiv.  Das rote Männerteam wird schließlich Turniersieger. Ein Wimpel als Siegerpreis ziert fortan die Vitrine irgendeiner Spieler-WG. Wer waren die Gegner? Klar, der Kommunistische Bund Westdeutschland KBW, aber sonst? Vielleicht irgendein Studentenzirkel, vietnamesische Studenten? Zwischen den Spielen wird chinesische Sportgymnastik betrieben. Angeblich höchst revolutionär. Heute steht diese Körperertüchtigung in jedem VHS-Programm: Tai-Chi. Aber Hauptsache: Gewonnen. Und immer noch wird fleissig trainiert. Der Zimbabwe-Pokal soll nicht der Letzte bleiben.  
 
1977:
Vom Kader zur Basis
Die Roten Kicker verlassen ihre politische Heimat. Irgendwie scheint das mit der sozialen Revolution nicht recht zu klappen. Die Schule wird verlassen, erste Studentenerfahrungen gesammelt. Gewohnt wird in WG´s, die Mutter ist weit weg (im anderen Stadtteil). Fortan kämpfen die Rotsterne in Bürgerinitiativen gegen Atomkraft an den Bauzäunen und widmen sich einer politischen Neuorientierung. Das Team verliert zwangsläufig die ersten Spiele, alte Spieler gehen, Neuerwerbungen erweisen sich in der gesellschaftlichen Umbruchphase nicht immer als Glücksgriffe. Das Probetraining ist immer sonntags morgens, und ein Hund ist auch dabei: Ester heißt sie und gehört zu Jochen, einem noch revolutionär gesinnten Studentenkicker. Denn immer noch dürfen proletarische Kader mitspielen. Auch wenn es Kommilitonen sind. Die Plätze am Kuhhirten werden immer schlechter bespielbar. Immer häufiger wird auf den Wiesen am Werdersee ausgewichen. Und wird auf den echten Plätzen gespielt, kommt sofort Hubert, der Platzwart, und schickt regelmäßig die Polizeigewalt. Auch er hat einen Hund, Moritz, die Riesendogge. Sie springt mit drei Sätzen von Tor zu Tor. Als der Roter Stern wieder einmal nicht den Rasen für den DFB-Spielbetrieb freigab, gab Hubert folgende Alternative aus: Bullen oder Moritz. Wir entschieden uns aus Erfahrung für die Staatsgewalt.
 
1978:
Fussball Si - Junta No
Ein letztes Mal versucht sich der Rote Stern in internationaler Solidarität. Beim Turnier der jahrelang bekämpften DKP, der westdeutschen Variante der SED, tritt das Teams in Trikots, die zur Unterstützung des Befreiungskampfes im damaligen Rhodesien ( heute Zimbabwe ) aufrufen, an und scheitert nur knapp. Türkische Jugendliche sind die einzigen, die die Rotsterne schlagen können. Breshnews Anhänger landen abgeschlagen auf den hinteren Tabellenplätzen. Zumindest ein Turnierziel wird somit erreicht, zumal die türkischen Jugendlichen aus dem besetzten Haus in der Neustädter Mainstrasse ( und somit Freunde des Rotsterns ) die Siegerehrung platzen lassen. Im Sommer jedoch erfolgt ein böser Einbruch. Unter dem Motto “Fußball si, Junta no” mobilisieren Bremer Spontis für ein riesiges Fußballturnier gegen die Ausrichtung der Weltmeisterschaft im durch eine Militärdiktatur regierten  Argentinien. Mit dabei natürlich die Roten Sterne. Wieder können zwei komplette Teams gestellt werden. Und wieder sind sie gemischtgeschlechtlich. Es war die Zeit der emanzipatorischen Bewegung unter den Frauen, und die machte auf dem grünen Rasen nicht halt. Genutzt hat dies nichts. Team 1 schied schon in der Vorrunde aus, Team 2 kassierte eine vernichtende Niederlage gegen das Bremer Schnürschuh-Theater als wahre Künstler auch auf dem Rasen. Und ausgerechnet das politisch diffuse Team der Schwarz-Roten-Angriffsformation aus dem Ostertor gewinnt das Turnier. Eine Ansammlung von Spontis, Anarchos und seltsamen Alternativen, politisch schwer einzuordnen und dementsprechend auch auf dem Spielfeld nicht berechenbar. Der Weg des Roten Stern war dadurch allerdings nicht mehr aufzuhalten. Erstmals wurde erkannt, eine Adressenkartei anzulegen. Und auch die Spielergebnisse sollten fortan notiert werden. Werder indes errang den viertletzten Platz in der Bundesliga.
 
1979:
11 Tore gegen die DKP – gewonnen
Die Masse macht’s. Erstmals trägt der Rote Stern durchschnittlich alle 2 Wochen ein Spiel aus. Die DKP wird mit 11 : 0 geschlagen. Hunderttausend AKW-Gegner und 20 linke Fußballer nehmen am Gorleben-Treck gegen die Atommüllfabrik teil. Arbeiter und Bauern, Intellektuelle - vereinigt euch. Dafür darf schon mal das Training ausfallen. Und CSU-Chef Strauß will Bundeskanzler werden. Massendemonstration vor der Stadthalle. Die linke Granate im Mittelfeld des Roten Stern wird von einem im Polizeidienst tätigen ehemaligen Klassenkameraden verpfiffen. Landfriedensbruch. Prozess und Strafe. Andere Kicker werden auch angeklagt: Parolen malen, Sachbeschädigung, Plakate kleben. Die Aktivitäten ruhen nicht. Im Gegenteil. Politische Strafen werden verknüpft mit einem Turnier im Knast Oslebshausen. Die Erinnerung daran läßt allerdings eher Lungenpfeifen und Magenkrämpfe aufkommen als eine Auseinandersetzung mit den Knastverhältnissen. Gutmütig wie wir sind, schmuggeln wir Kaffee und Schwarzen Krauser Selbstgedrehten in den Knast. Die Knackis wollten eher echte Rauschmittel. So ist das mit dem Proletariat. Glücklicherweise haben wir kein Flugblatt zu den Knastverhältnissen in der BRD reingeschmuggelt. So begnügen wir uns mit neuen Erfahrungen, die das Weltbild wieder einmal in Frage stellen. Und Werder? Ende des Jahres beendet Eisenfuß Höttges seine aktive Laufbahn. Auch ein schlechtes Omen!
 
1980:
11 Tore gegen die KPD/ML – verloren
25 Spiele, davon 12 gewonnen, aber eine ungewöhnliche Niederlage gegen die Bremer Ortsgruppe der KPD/ML, einer weiteren kommunistischen Kadergruppe. Das 12:11 der albanischen Stalinisten soll noch heute wahre Glücksgefühle beim mittlerweile als Hausarzt des Rotstern-Teamchefs tätigen ML-Liberos hervorrufen. Die KPD/ML scheiterte bekanntlich trotzdem. Der Rote Stern wird im Rahmen der Rehabilitation tätig. Ob die zahlreichen Niederlagen von ehemals Drogenabhängigen gegen das Alternativteam sich allerdings positiv auf die Therapie auswirkten, bleibt umstritten. Werder übrigens steigt ab, dafür wird das Weserstadion Ort einer der härtesten Schlachten auch des Roten Sterns. Während einer öffentlichen Rekrutenvereidigung entsteht die Bremer Anti-Kriegs-Bewegung. Mittendrin: Rote Kicker. Also doch noch Politik in den Köpfen. Und nochmals spielen wir bei der moskautreuen DKP als immer noch linkes Aushängeschild mit. Beide Niederlagen werden gegen Jugendfreizeitheime eingefahren. Erste Alterserscheinungen? An der Uni allerdings schafft der Rote Stern wieder das Optimum: Nachwuchskicer entdecken das Ballspiel beim Roten Stern.. 
 
1981:
Landfreaks und Schnürschuhe
Otto Rehhagel kommt endgültig an die Weser. Mit Werder geht es aufwärts. Kostedde, Völler, Burgsmüller: Werder greift an. Der Rote Stern verstärkt sich ebenfalls. Er greift zu harten Mitteln und transferiert die 78er der schwarz-roten Spontis als siegreiche WM-Argentinien-Turnier-Sieger und die Reste des Angstgegners der Schnürschuhtruppe. Damit ist der Lokalpatriotismus des Roten Stern nicht mehr aufrechtzuerhalten. Mittlerweile sind aus den Arbeiterjugendlichen und Oberschülern Studenten und Akademiker geworden. Das Walle-Neustadt aus dem Namen ist nicht mehr aufrechtzuerhalten. Man nennt sich fortan Roter Stern Bremen. Alle Angstgegner der Vergangenheit werden geschlagen und auch das erste Auswärtsspiel in Dickel in der Nähe Osnabrücks wird mit 7:1 gegen die dort ansässige Landfreakkommune gewonnen. Lieblingsgegner bleibt allerdings Westring 77 Wildeshausen. 6:5, 3:0, 5:1, 6:1, und jetzt 12:3 - 32 Tore in 5 Spielen - da läßt sich die erste Niederlage gegen ein DFB-Team - BTS Neustadt 2. Herren - leicht verkraften. Und auch politisch bleibt alles beim Alten. Wieder mal zahlreiche Demonstration und der Rote Stern ist immer dabei.
 

1982:
Berlin, Berlin - wir fahren nach Berlin
“Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin”. Am 5.12.82 gewinnt das Bremer Team mitten in Kreuzberg auf einem Hartplatz 7:3 gegen den unterklassigen Kreisligisten Hansa 07. Dokumentarisch festgehalten auf Super 8 von einem ehemaligen Mitspieler und bekannten Bremer Filmemacher . “7:3 Roter Stern gegen Hansa 07” prangte bis zu ihrem Fall auf der Berliner Mauer. Noch 7 Jahre später soll um diese fünf Meter Beton heftigst unter Berliner Mauerspechten gestritten worden sein. Überhaupt 1982. Die Roten Sterne aus dem ostfriesischen Norden werden mit 12:0 an die Deiche zurückgeschickt, beim anschließenden Boßeln an den Deichen gewinnen die Ossis. Der Bunte Sturm Bremen, immerhin Teilnehmer beim Ostparkturnier in Frankfurt gegen Joschka Fischers Truppe, wird 9:1 und 6:1 geputzt und zahlreiche Turniere mit vorderen Plätzen belegt. Und Werder erreicht den UEFA-Cup. Dort allerdings scheitert die Truppe an Dundee United aus Schottland in der 3. Runde. Viel Bremer engagieren sich in Bürgerinitiativen gegen Atomanlagen. Und immer noch dabei der Rote Stern. Montags bis Freitags Stadtteilgruppen und Bürgerinitiativen, samstags demonstrieren und Wochenmarktagitation - und sonntags zur Entspannung Fußballtraining.
 
1983:
Alle Spiele gewonnen - trotzdem nur Zweiter
Alle 8 Spiele über 90 Minuten werden ohne Niederlage absolviert, dabei 51 Tore erzielt. Zum ersten Sieg bei einer Turnierteilnahme seit 1976 allerdings kommt es wieder nicht. Beim alljährlichen Turnier vor den Toren Wildeshausens heißt es wieder Endstation Endspiel: 4:5 im Elfmeterschießen. Verlieren durch Elfmeterschießen - der Alptraum jedes Fußballers. Es sollte ein langer Traum in der Geschichte des Roten Sterns werden. Und wie immer teilt auch der SV Werder des Rotsterns Leid: “nur” Vizemeister. Politisch ist einiges im Umbruch: die Werft AG Weser im Bremer Westen, Symbol der proletarischen Geburtsstätte des Roten Stern, wird geschlossen. Die Grünen ziehen in die Bürgerschaft ein. Die Anti-Kriegsbewegung wehrt sich gegen Nato-Nachrüstung und Bombenmunitionszüge durch Bremen. Alles in allem ein sehr ereignisreiches Jahr. Nur die sogenannte Freak-Liga, ein sehr früher Vorläufer der Wilden Liga, scheitert. Ein Gegner aus Blumenthal, gespickt mit Verbands- und Bezirksligakickern,  weigert sich, ohne Umkleideräume und Duschen anzutreten. So bleibt der Rote Stern ungekrönter Meister einer abgebrochenen Saison. Das Werder ausgerechnet gegen das DDR-Team Lokomotive Leipzig im UEFA-Cup scheitert., nützt der politischen Bewegung Bremens nichts. DFB und DDR - eine armselige Allianz.
  
1984:
100 Spiele - ausgebufft und abgebrüh
t
Das 100.Spiel seit Beginn der Statistik wird mit 8:0 gegen den Wildeshausener Heimatverein des Rechtsaußens gewonnen. Obwohl bereits mit doppelter Fußballzugehörigkeit ausgestattet, kündigt er  anschließend seine DFB-Mitgliedschaft und wird Vollprofi beim Roten Stern. Dieser taucht im Sommer erstmals in den Medien auf. “Abgebrühten, technisch versierten und ausgebufften Fußball” schreibt das damalige “Bremer Blatt” über die Spielweise anläßlich des von der Szene-Zeitung veranstalteten Turniers. Als großer Favorit wird auf heimischen Boden ungeschlagen die Vorrunde absolviert, Hackethals Rache wird ebenso wie Frischauf Steintor abserviert. Selbst die Publikumslieblinge Cannabis-All-Stars beißen sprichwörtlich ins Gras. Für den Tag der Endrunde läßt diese Überlegenheit Gutes erahnen. Doch wieder scheitert der Rote Stern an den eigenen Nerven. Aus im Halbfinale durch Elfmeterschießen gegen Bunter Sturm. Und gegen die Tornados ( später Stümper ) geht das Spiel um das Treppchen verloren. Wie Werder. Eigentor im UEFA-Cup gegen Anderlecht und aus.
 
 
 
 

 
1985:
33 Mann sonntags um 10 Uhr

 
 

 Der Rote Stern expandiert. Immer mehr Kicker wollen dabeisein. Beim sonntäglichen Kick rote Leibchen gegen bunte Leibchen stehen 33 Kicker auf dem Platz. Ein Einstellungsstop muß her. Erste Abspaltungen in neu gegründete Teams verbessern die Lage. Nachdem zuvor schon einige Rotsterne bei Caracho Walle kickten, folgt jetzt ein weiterer Teil und wandert bei den Carachos mit Caracho in den DFB. Wieder einmal Unterwanderung oder schlichtes Vergnügen? Noch heute, 15 Jahre später, kicken die Ex-Sterne bei Blau-Weiß in Findorff, und nur noch zweimal aufsteigen, dann erscheint man Montags im Weser-Kurier in der Dritten Kreisklasse. Die Ablösesummen an die Ursterne stehen allerdings noch aus. Und der erste Pokal aus dem Zimbabwe-Turnier 1975 wanderte samt Libero mit zum DFB. Ein anderes Subteams, “Links vorbei”, lässt sich auch nicht lumpen und schlägt den Roten Stern. So war das dann doch nicht geplant! Beim traditionellen Hengsterholz-Turnier bei Wildeshausen gibt es ne Klatsche. Platz 5 von 6. Glücklichweise muß Fährhaus dran glauben: 8:1 ím neunten Aufeinandertreffen. Der Rekordgegner. Werder wird Vizemeister, scheitert aber im Uefa-Cup an Schwarzmeer Odessa. Wieder ein Ostclub. Wie beim Roten Stern. Den Blick nach Westen, handelt man sich ostwärts nur noch Niederlagen ein.

ROTER STERN BREMEN  |  pelle@rotersternbremen.de